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Keine Gesetzgebungskompetenz für Bund und Länder  
12.06.2017

BVerfG: Kernbrennstoffsteuer verfassungswidrig

ESV-Redaktion Recht
AKW-Betreiber: 6,3 Milliarden Euro Erstattung (Foto: Oliver Hoffmann/Fotolia.com)
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Steuer auf Kernbrennelemente nach dem (KernbrStG) für verfassungswidrig erklärt. Dies teilte die Pressestelle des Gerichts kürzlich mit. Dem Richterspruch zufolge hat der Bund nicht die notwendige Kompetenz für die Erhebung einer solchen Steuer.

Die Klägerin des Ausgangsverfahrens hatte im Jahr 2011 in den Reaktor eines Kernkraftwerks, das sie betrieb, neue Brennelemente eingesetzt und löste eine sich selbsttragende Kettenreaktion aus. Nach einer entsprechenden Steueranmeldung führte sie einen Steuerbetrag von etwa 96 Millionen Euro ab. Anschließend erhob sie Klage gegen die Steueranmeldung. Das Finanzgericht Hamburg wiederum legte dem BVerfG die Frage vor, ob das KernbrStG vom 08.12.2010 mit dem Grundgesetz unvereinbar ist.

Kernbrennstoffsteuer keine Verbrauchssteuer

Der Zweite Senat des BVerfG erklärte das KernbrStG für verfassungswidrig. Den Grund hierfür sah der Senat darin, dass die Kernbrennstoffsteuer keine Verbrauchssteuer sei. Typischerweise würde ein solche Steuer auf den Endverbraucher umgelegt. Eine Umlage sei aber nicht geplant, was sich schon aus der Gesetzesbegründung ergebe. Dies, so Senat weiter, wäre ein Verstoß gegen Art. 105 Absatz 2 Grundgesetz (GG) und Artikel 106 Absatz 1 Nr. 2 GG.

Im Wortlaut: Art 105 Absatz 2 GG
(2) Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 vorliegen.
Im Wortlaut: Art 106 Absatz 1 Nr. 2 GG
(1) Der Ertrag der Finanzmonopole und das Aufkommen der folgenden Steuern stehen dem Bund zu:
(...)
2. die Verbrauchsteuern, soweit sie nicht nach Absatz 2 den Ländern, nach Absatz 3 Bund und Ländern gemeinsam oder nach Absatz 6 den Gemeinden zustehen, (…)

Keine Gesetzgebungskompetenz für Bund und Länder

Außerhalb der Kompetenzordnung nach den Vorgaben des GG hätten Bund und Länder kein Steuererfindungsrecht. 
Nach Auffassung des Senats begründet  Art. 105 GG als spezielle finanzverfassungsrechtliche Norm die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes und der Länder für den Bereich der Steuern. Dabei würde Art. 106 GG die Erträge bestimmter Steuern entweder dem Bund, den Ländern oder Bund und Ländern gemeinschaftlich zuweisen.

Kein freies Steuererfindungsrecht für Bund und Länder

Neue Steuern, so der Richterspruch aus Karlsruhe weiter, sind auf ihre Kongruenz mit den typusprägenden Merkmalen der Einzelsteuerbegriffe der Art. 105 und Art. 106 GG auf hergebrachte Art zu prüfen. Entsprechen die Steuern nicht allen Typusmerkmalen einer Einzelsteuer, so wären Bedeutung und Gewicht der Einzelmerkmale sowie der Abweichungsgrad zu bestimmen und in eine Gesamtschau mit einzubeziehen.

Dies sei die Basis für die Entscheidung, ob das Ergebnis mit dem Typus übereinstimmt. Innerhalb der Typenbegriffe, die Art. 105 und Art. 106 GG vorgeben, könnten neue Steuern „erfunden” und bestehende Steuergesetze verändert werden.

Die Zuweisung der Gesetzgebungskompetenzen an Bund und Länder durch Art. 105 und 106 GG ist nach Meinung des Senats aber abschließend. Somit dürfe der einfache Gesetzgeber nur solche Steuern einführen, deren Ertrag durch Art. 106 GG dem Bund, den Ländern oder Bund und Ländern gemeinschaftlich zugewiesen wird. Ein freies Steuererfindungsrecht komme daher weder dem Bund noch den Ländern zu.

Gemeinsames Sondervotum

Allerdings haben die Richter Huber und Müller der Pressemeldung zufolge ein gemeinsames Sondervotum zu dem Beschluss abgegeben. Zwar stimmten beide Verfassungsrichter der Senatsmehrheit im Ergebnis, nicht aber in der Begründung zu.

Das BVerfG hat das KernbrStG vom 08.12.2010 rückwirkend für nichtig erklärt. Der Bund hat nun die etwa 6,3 Milliarden Euro, die er von 2011 bis 2016 eingenommen hatte, an die jeweiligen Kraftwerksbetreiber zurückzahlen.

Beschluss des BVerfG vom 13.04.2017 – AZ: 2 BvL 6/13

Quelle: BVerfG PM 42/2017 vom 07.07.2017 zum Beschluss vom 14.04.2017 – AZ: 2 BvL 6/13
 
Erscheint in Kürze
Das Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 2017 widmet sich zahlreichen aktuellen Themenfeldern, die die Vielfalt des modernen Umweltrechts widerspiegeln. Das Werk, herausgegeben von Prof. Dr. Timo Hebeler, Prof. Dr. Ekkehard Hofmann, Prof. Dr. Alexander Proelß und Prof. Dr. Peter Reiff, behandelt untern anderem Themen aus dem Immissionsschutzrecht, dem Energierecht und dem Handelsrecht. Darüber hinaus greifen die Autoren auch grundsätzliche Fragen aus dem Völkerrecht und dem Verfassungsrecht auf. 

(ESV/bp)
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